Liebe Angehörige,
von ihrem Beitrag fühle ich mich emotional sehr berührt, denn ich habe in diesem Jahr eine sehr ähnliche Situation erlebt: meine Mutter hat bis zum Sommer diesen Jahres noch allein in ihrem Haus gelebt. Meine Schwester und ich hatten schon länger den Verdacht, dass sich eine Demenz anbahnt und haben die Mutter in vielen Dingen unterstützt bzw Hilfe durch den ambulanten Pflegedienst und einer Alltagsbegleiterin organisiert. Aber dann kam es im Sommer zu einer plötzlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands (meine Mutter konnte nicht mehr laufen, war sehr verwirrt und desorientiert) und im Krankenhaus wurde eine vaskuläre Demenz diagnostiziert. Die Ärzte meinten, dass meine Mutter nicht mehr allein wohnen sollte und wir hatten Glück, erst einen Platz in der Kurzzeitpflege und im Anschluss ein Zimmer in einer Pflege-Wohngemeinschaft zu bekommen. In der Kurzzeitpflege hat sich meine Mutter etwas erholt und sehr vehement wollte sie nach Hause „Hier ist es nicht schön, ich bleibe nicht länger!“. Diese Reaktion konnte ich auf der einen Seite verstehen (wie schlimm muss es sein, wenn man gesagt bekommt, dass man nicht mehr in sein vertrautes Heim zurückkommt) und auf der anderen Seite wäre es für meine Mutter nicht länger möglich gewesen, sich allein in ihrem Haus zurechtzufinden. Das war eine emotional sehr belastende Situation für uns beide! Durch die Demenz hat sich die Wahrnehmung meiner Mutter verändert: Neues ist schwierig für sie, vertraute Pfade gehen oft noch. Sie selbst erlebt sich nicht als beeinträchtigt, deshalb ist es schwierig, mit logischen Argumenten zu begründen, weshalb sie nicht länger allein leben kann. Geholfen hat, dass ich meine Mutter in ihrer Trauer begleitet habe („Ich kann gut verstehen, dass du traurig und wütend bist, das würde mir genauso gehen“) und mit Situationen aus ihrem Leben begründet habe, die sie verstehen konnte („wenn du nach Hause gehst bist du allein, wer kauft dann für dich ein“ etc). Weiterhin habe ich mit der Heimleitung gesprochen, dass meine Mutter Schwierigkeiten hat sich einzuleben und ob nicht z.B. ehrenamtliche Mitarbeiter meine Mutter verstärkt miteinbeziehen können. Das hat gut funktioniert, Ablenkung ist wunderbar (Spaziergänge, Basteln, Singen etc). Nach dem Einzug in die Pflege-Wohngemeinschaft wurde es Schritt für Schritt besser, denn jetzt konnten wir ihr Zimmer mit vertrauten Gegenständen einrichten und die Mitarbeiter dort sind sehr aufmerksam und beziehen alle Bewohner in Aktivitäten mit ein. Natürlich ist meine Mutter immer noch traurig um ihren Verlust, aber jetzt hat sie zunehmend das Gefühl, dazuzugehören.
Es gibt nicht den einen Weg, jeder Mensch ist anders und trauert auch anders. Deshalb weiß ich auch nicht, ob das, was ich geschrieben habe, für sie hilfreich ist. Aber das sie ihre Tante begleiten und ein offenes Ohr für ihre Sorgen haben bewirkt schon viel gutes.
Ganz liebe Grüße
Doris