Frau H.: Mein Ehemann (79) hat vaskuläre Demenz und spricht nicht mehr. Der Umgang seiner Erkrankung, die Alltagsgestaltung, die Pflege, der Umgang mit herausfordernden Situationen – dies hat mich zu viel Kraft gekostet, ich fühlte mich ausgebrannt und nur noch kraftlos, schleichend hatte sich ein Burnout entwickelt.
Durch die Empfehlung des örtlichen Pflegestützpunkts (ein Ehepaar hatte dort sehr gute Erfahrungen gemacht) habe ich mich für die Reha-Einrichtung der AWO Winterberg, https://www.aw-kur.de/landhaus-fernblick entschieden.
Ein wichtiges Entscheidungskriterium in meiner Situation war das Angebot einer Tagesbetreuung für meinen Mann von 8:00 bis 16:00 incl. Frühstück und Mittagessen. Diese Betreuung war Voraussetzung, damit ich Angebote der Reha-Klinik nutzen konnte, um meinen Burnout-Zustand zu verbessern und mich zu Erholen. Ein weiteres Kriterium für die Auswahl der Klinik war die kurzfristige Verfügbarkeit eines Platzes für meinen Ehemann und mich trotz der äußerst schwierigen Corona-Situation im Herbst 2020.
Der Tagesablauf in der Klinik war durch die Tagespflege vorgegeben: während der Betreuungszeit von Mo-Fr 8-16 Uhr konnte ich die Angebote der Klinik nutzen: 2-3 psychologische Gespräche, Gruppeninformationen rund um das Thema Pflege, Leistungen der Pflegekasse, Verhalten in Corona-Zeiten, Wassergymnastik, entspannende Massage, Nordic-Walking, Yoga „Sonnengruß“, Bewegungstraining… Für meinen Ehemann gab es keine speziellen therapeutischen Maßnahmen. Samstags gab es in den Räumen der Tagespflege (Erkrankte + Angehörige) Tischkegeln und einmal kam eine Hundetherapeutin mit einem ihrer Hunde.
Sehr hilfreich war, dass es eine persönliche Ansprechpartnerin gab, die im Umgang mit mir und meinem Ehemann immer ein offenes Ohr hatte und sehr konstruktiv und freundlich nach Lösungen für meine Probleme gesucht hat:
Ein großes Problem war nämlich, dass in der Tagesbetreuung 16 Patienten waren, ein absolutes No-Go für meinen Mann: 15 wildfremde Menschen, er kann sich verbal nicht äußern. Ich wollte insgesamt 3mal abreisen, da mein Mann schon nach dem 2. Tag nicht mehr in die Tagesbetreuung gehen konnte, das Personal konnte das auch nicht stemmen. Nach einer Woche Stress hoch fünf für mich gab es eine super-sonder-Lösung: ein Mitarbeiter kümmerte sich vormittags nur um meinen Mann, so hatte ich zumindest die Zeit von 8-14 Uhr für mich. Ein Tropfen auf den heißen Stein.
Vorausschauend hatte ich einen örtlichen Pflegedienst engagiert, den die Einrichtung vermittelt hatte: meinen Mann täglich morgens anziehen und Grundpflege. Leider hatte der Dienst nur um 6 Uhr in der Frühe einen Termin, damit waren die Nächte zu kurz für mich. Auch musste ich mich dann ab 6:15 Uhr um meinen Mann kümmern, der natürlich nicht mehr ins Bett ging. Diesen Dienst kündigte ich dann nach wenigen Tagen.
Nachts gab es einen Notruf, falls jemand aus dem Bett gefallen wäre oder so, aber keine spezielle Betreuung, damit ich zur Ruhe kommen konnte.
Das waren nicht die besten Voraussetzungen für mich, um meinen Erschöpfungszustand in den Griff zu bekommen. Aber ich hätte auch nichts anders machen können, mir blieb zu dem Zeitpunkt Ende Oktober 2020 gar nichts anderes übrig, als diese Einrichtung zu wählen. Kurzzeitpflege für meinen Mann vor Ort war wegen Corona nicht möglich.
Der größte Gewinn dieser Reha-Zeit war, dass ich auf die Möglichkeit einer Unterbringung meines Mannes in einer Demenz-WG aufmerksam gemacht wurde. Inzwischen steht er auf der Warteliste einer Einrichtung in Baden-Württemberg in seinem Geburtsort. In RP habe ich keine derartige Einrichtung gefunden. Der Geburtsort meines Mannes ist für ihn perfekt, er freut sich darauf, wieder in seine alte Heimat ziehen zu dürfen, 160 km von hier entfernt. Dass er dann ohne mich in einer WG leben wird, kann er nicht realisieren.
Weiterhin gab es 3x telefonische Nachbetreuung im Abstand von 6 Wochen zwecks Unterstützung des Reha-Erfolges bzw. der Ziele, die ich mir während der Reha setzte und die schriftlich festgehalten wurden (ich konnte fast alle erreichen):
Ziel 1„Umgang mit der Erkrankung des Ehemannes“: Online-Seminar mit Ihnen bei der Alzheimer Gesellschaft Rheinland-Pfalz.
Ziel 2: „Akzeptanz eigener Grenzen“: Ich gehe weiterhin regelmäßig über meine Grenzen, damit die letzte Zeit, die ich mit meinem Mann hier zu Hause verbringen kann, so lange wie möglich ist. Mein Hausarzt meint, ich hätte ein schlechtes Gewissen, die Psychologin in der Reha sprach von Schuldgefühlen. Beides empfinde ich nicht. Mein Mann hat es verdient, so lange wie möglich in seiner gewohnten Umgebung mit mir zu leben. Ein Pflegeheim kommt für mich nicht in Frage.
Ziel 3 „Regelmäßige Teilnahme an einer Entspannungstherapie“: ich meditiere relativ regelmäßig unter Anleitung.
Ziel 4 „Spaziergänge, Radfahren“: seltene Spaziergänge mit meinem Mann, Radfahren nein. Ich bin körperlich zu erschöpft.
Ziel 5 „Erhöhung Tagespflege – Alltagsbegleitung suchen, finanzielle Abklärung, falls Ehemann in eine „Demenz-WG“ oder ein Pflegeheim muss“: 1x wöchentlich Tagespflege läuft derzeit gut. Die Alltagsbegleitung hat nicht geklappt, mein Mann akzeptierte die Alltagsbegleiterin nicht. Eine erneute Suche nach einer geeigneten Kraft übersteigt meine Energien. Aber ich habe eine Putzhilfe gesucht und gefunden, die 1xmal die Woche für 3 Stunden kommt. Das ist für mich eine große Hilfe.
Ziel 6 „Wahrnehmung sozialer Kontakte“: in sehr eingeschränktem Umfang kann ich das tun, nicht mehr als vor der Reha.
FAZIT
Wäre ich nicht eine "hoffnungslose Optimistin", würde ich sagen, dass die drei Wochen verschwendete Lebenszeit waren. Es waren drei Wochen purer Stress für mich. Ausnahme: ich musste mich nicht um den Haushalt und das Essen kümmern. Ich musste mich „nur“ um meinen Mann kümmern: Es waren 21 Tage Reha, davon war mein Mann 2x8 Stunden und 8x4 Stunden = 48 Stunden in der Tagesbetreuung.
Ein großes Lob an die Einrichtung, die wirklich Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um mir einen einigermaßen guten Aufenthalt zu ermöglichen.
Ich kann diese Art von Reha nur dann empfehlen, wenn der Erkrankte problemlos an einer Tagesbetreuung teilnehmen kann und auch sonst noch relativ fit ist und mit fremden Umgebungen klarkommt. Die zwei, drei Damen, die ohne ihren Angehörigen angereist waren, waren entspannt und locker.
Noch etwas ganz Wichtiges: es genügt nicht, den Reha-Antrag zu stellen und darauf zu vertrauen, dass die Krankenkasse weiß, was man möchte. Meine Kasse hat nicht realisiert, dass ich als pflegende Angehörige eine Reha beantrage und mit meinem Mann in genau die Einrichtung gehen wollte, die mein Hausarzt im Antrag nannte. Also: nach spätestens einer Woche bei der Krankenkasse anrufen und fragen, ob dort alles richtig verstanden wurde. Und am Ball bleiben, sich nicht abspeisen lassen, starke Nerven behalten. Das geht ja sooo einfach, wenn man schon mitten im Burnout hängt, nicht wahr? (pure Ironie).