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Demenz und körperliche Einschränkungen, Pflegegrad 5 und 90 schwerbehindert. Wie schaffe ich das weiterhin?

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Beiträge: 1
Themenstarter
(@jansy)
Beigetreten: Vor 2 Jahren

Mein Mann ist 78 Jahre alt, vor ca 7 Jahren begann seine Demenz. Dazu ist er körperlich sehr eingeschränkt. Er läuft am Stock wenige Schritte im Haus umher. Bin ich für ihn nicht zu sehen, sucht er mich sofort. Er fühlt sich hier nicht zu Hause, obwohl wir bereits seit 20 Jahren hier wohnen. Vormittags weiß er wer ich bin. Am Nachmittag beginnt dann das große Problem. Ich bin dann ein Freund und er möchte mich ständig anrufen, da ich seine Orientierung und sein Halt bin. Er wird dann böse, wenn mein Handy klingelt, weil er mit der anderen Christiane sprechen möchte (ich vor 25 Jahren). Gehe ich dann ran, spricht er mit mir, obwohl ich 50 cm von ihm entfernt sitze. Beenden wir das Gespräch, erzählter mir, dass die "frühere" Christiane mit ihm Ärger bekommen wird.

Das geht so über 4 bis 5 Stunden. Ich bewältige die körperliche Hilfe recht gut, aber mein Nervenkostüm wird dünner. Würde ich ihn auch nur für kurze Zeit weggeben, z. B. Tagespflege, würde er bitterlich weinen. Außerdem ist er sehr pflegeintensiv.

Ich kann mit meiner Familie darüber reden, aber keiner kann das so richtig nachvollziehen, wenn er eine solche Situation nicht über längere Zeit selbst erlebt hat. Außerdem will ich meine Familie auch nicht ständig damit belasten. Kinder haben wir leider nicht.

Weiß jemand, wie ich abends etwas Erleichterung bekommen kann?

Vielen Dank

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1 Antwort
Beiträge: 52
Admin
(@admin)
Beigetreten: Vor 4 Jahren

Liebe Jansy, herzlich Willkommen im Forum!

Wenn man Ihre Zeilen liest, merkt man, dass Sie sich sehr fürsorglich und liebevoll um Ihren Ehemann kümmern. Das ist wunderbar und verdient höchsten Respekt, aber es kostet auch sehr viel Ihrer Kraft!

Durch die Demenzerkrankung verliert Ihr Ehemann zunehmend die Orientierung (zeitlich, örtlich, situativ und zu seiner und anderen Personen). Typisch sind auch die Schwankungen in der Gedächtnisleistung im Tagesverlauf. Das Zurechtfinden wird immer schwieriger und Erkrankte erleben eine Fremdheit auch in der eigentlich vertrauten Umgebung. Das alles verursacht bei Ihrem Ehemann Angst und große Unsicherheit und das ist der Grund, weshalb er Sie möglichst nicht aus den Augen verlieren will. Für ihn sind Sie die Bezugsperson, die Orientierung, Halt und Sicherheit gibt (wie Sie ganz richtig beschrieben haben). Auch ist es erschütternd, wenn Ihr Ehemann Sie nach so vielen Jahren des Zusammenlebens nicht mehr erkennt.

Wie geht man mit dieser Situation um?

Die Fixierung von Ihrem Ehemann könnte deshalb so stark (und damit so belastend für Sie) sein, weil Sie bislang die Pflege ganz allein bewältigt haben und noch keine fremde Hilfe angenommen haben(?!)

Wenn Sie Schritt für Schritt weitere Personen in die Pflege mit einbinden, dann wird sich Ihr Ehemann mit der Zeit auch an die anderen (Bezugs-)Personen gewöhnen und Sie wären etwas entlastet. Damit das gelingen kann, empfehle ich Ihnen eine Beratung (persönlich, kostenlos und neutral) bei einem Pflegestützpunkt (PSP) in Ihrer Nähe. Durch dieses Beratungsgespräch werden Sie erfahren, welche Entlastungsmöglichkeiten (Pflegedienst, ehrenamtliche Betreuer, Demenzbegleiter…) es gibt und wie Sie diese über die Leistungen der Pflegeversicherung finanzieren können. Den nächsten PSP in Ihrer Nähe finden Sie hier:

https://www.pflegestuetzpunkte-deutschlandweit.de/

Weiterhin wäre es wichtig, offen über Ihre Belastung in der Familie zu sprechen und um Unterstützung zu bitten. Sie schreiben, Sie wollen die Familie nicht belasten, aber was ist mit Ihrer eigenen Belastung und Selbstfürsorge? Nur wenn es Ihnen selbst gutgeht, können Sie Ihre Kraft erhalten, um für Ihren Ehemann da zu sein und um selbst gesund zu bleiben.

Es gibt zwei Zitate von anderen Angehörigen aus unseren Seminaren, die ich Ihnen gerne ans Herz legen möchte:

„Bevor ich Hilfe annehmen konnte, musste es erst zu einer Krise kommen: ich war übermüdet und bin auf der Treppe gestürzt. Zum Glück ist nichts Schlimmes passiert, aber danach habe ich erkannt, es nicht mehr allein schaffen zu müssen.“

„Wichtig ist das ‚Loslassen‘ des Patienten. Und es den anderen zuzutrauen, dass auch sie es ‚gut‘ machen bei der Betreuung!“

Im Anhang finden Sie ein Infoblatt der Deutschen Alzheimer Gesellschaft zum Thema Entlastung.

Auch kann es sehr bereichernd und entlastend sein, sich einer Selbsthilfegruppe (SHG) für Angehörige von Menschen mit einer Demenz anzuschließen. Durch den Erfahrungsaustausch mit Gleichbetroffenen merken Sie sehr schnell, dass Sie nicht allein mit diesen schwierigen Alltagssituationen sind. Bei Interesse finden Sie die SHGs der Alzheimer Gesellschaft RLP auf unserer Homepage:

https://www.alzheimer-gesellschaft-rhpf.de/selbsthilfegruppen/

Falls Sie nicht in Rheinland-Pfalz wohnen, finden Sie auf dieser Seite auch eine Suchfunktion „Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe finden“.

Und was können Sie noch tun, damit der Alltag nicht mehr so belastend ist:

Hilfreich ist eine gute Tagesstrukturierung. Wenn Ihr Ehemann vor allem nachmittags sehr intensiv Ihre Nähe braucht, dann könnten Sie regelmäßig nachmittags für Beschäftigung und Aktivierung sorgen. Wenn sich diese Aktivitäten wiederholen und zum Ritual werden, entsteht Sicherheit für Ihren Ehemann und er sucht vielleicht nicht mehr so häufig nach der „jungen“ Christiane.  Gibt es Dinge, die Ihnen beiden Spaß machen? Ablenkung ist immer gut: Musik zum Mitsingen, alte Filme schauen, ein Puzzle, eine Erinnerungskiste mit Dingen, die Ihrem Ehemann früher wichtig waren usw. Auch Bewegung wäre gut oder ein Spaziergang (im Rollstuhl?) an der frischen Luft. Binden Sie z.B. Helfer möglichst nachmittags ein.

Wenn Ihr Ehemann Sie nicht mehr als seine Ehefrau erkennt, dann ist es am einfachsten, temporär den Rollenwechsel in eine Freundin zu akzeptieren. Wenn Ihr Ehemann nach der „jungen“ Christiane sucht, könnten Sie zu ihm sagen „Du vermisst Christiane sehr, das merke ich dir an!“ „Du fühlst dich einsam ohne sie“ und „Aber ich bin auch sehr gerne bei dir“ „Wir könnten doch zusammen ??? machen“ (um abzulenken).

Sehr gerne können Sie auch unsere kostenlose Demenzsprechstunde in Anspruch nehmen:

https://www.alzheimer-gesellschaft-rhpf.de/demenzsprechstunde/

Es ist gut und richtig, frühzeitig Beratung und Hilfe in Anspruch zu nehmen!

Herzliche Grüße

Claudia Krack

Forums-Administration und Vorstandsmitglied der Alzheimer Gesellschaft Rheinland-Pfalz e.V.

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