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Oma seit 6 Jahren dement, Mutter hat auch Tendenzen und Tochter (Ich) psychisch krank

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Themenstarter
(@ann-lene)
Beigetreten: Vor 1 Jahr

Guten Abend,

Meine Oma ist 86 Jahre alt und wenn sie gefragt wird, wie es ihr geht, dann sagt sie immer: "Mir tut nichts weh und das ist schon viel Wert." Und das sehe ich genauso, aber meine Mutter sagt immer: "Demenz ist das Schlimmste, was es im Alter gibt, körperlich eingeschränkt zu sein und geistig klar, ist viel besser." Meine Mutter und ich kümmern uns beide um meine Oma. Ich wohne mit meiner Oma zusammen in deren Haus und meine Mutter kommt alle 5 Wochen zu Besuch und bleibt meistens für 2 Wochen, um sich um meine Oma zu kümmern.

Wenn meine Mutter nicht da ist, geht meine Oma in die Tagespflege von Montag bis Freitag. Ihre Demenz begann vor 6 Jahren, da war sie 80 und es fing damit an, dass sie im Supermarkt nicht mehr das kaufte, was sie brauchte, sondern einfach irgendwelche Sachen. Heute hat sie Pflegestufe 4 oder 5, ist nachts inkontinent, pinkelt periodisch, also nicht täglich, die ganze Wohnung voll, weil sie vor ihre Windelhosen nachts immer auszieht und lieber ohne Windelhose schläft. Wenn ich ihr frühs die Klamotten hinlege, die sie anziehen soll, greift sie sich immer irgendwelche andere Kleidungsstücke, die sie irgendwo im Raum findet. Statt die Klamotten zu nehmen, die vor ihrer Nase liegen, sucht sie im Raum umher, bis sie Sachen findet, die ihr entweder gar nichts passen oder die nicht zur Jahreszeit passen. Sie sagt dann oft: "Ich mache, was ich will", geh in deine Wohnung, ich komme allein zurecht. Wenn ich ihr am Wochenende das Mittagessen hinstelle und zwischendurch kurz die Küche veröasse, um Wäsche zu waschen oder den Müll raus zu bringen, lässt sie das Essen irgendwo verschwinden, wo man es dann Wochen später zufällig (meist verschimmelz) irgendwo wiederfindet. Die Linsensuppe hat sie im Wohnzimmer aufs äußere Fensterbrett gekippt, wo ich sie vor einigen Tagen gefroren entdeckt habe. Unsere Katzen werden im Schlafzimmer gefüttert und obwohl der kleine Wassernapf dezentral unter einem Stuhl steht, schafft sie es, ihn beim Laufen mit den Füßen umzukippen, sodaß sich das Wasser auf dem Laminat verteilt. Ja - kann man ja schnell wieder trocken machen, aber mit einem Demenzkranken geht es ja nur noch darum, dessen Chaos zu ordnen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit.

In meiner Familie gibt es auch einige familiendynamische Schieflagen. Ich habe eine psychiatrische Diagnose (bipolare Störung), einige Verwandte meiner Oma hatten auch psychiatrische Diagnosen. Ich lebe aber seit Jahren quasi symtomfrei, aber nur, weil ich mich an eine mentale Hygiene halte, was bedeutet, dass ich Stressfaktoren und Energievampire aus meinem Leben heraushalte und ganz wichtig ist für mich, um autonom zu bleiben, eine gewisse Distanz zu allen Familienangehörigen. Bei einer psychischen Erkrankung ist es ehr wichtig, die verbindung zu sich selbst zu behalten, um gesund (stabil) zu bleiben. Verleirt man die Verbindung zu sich selbst, nur um es immer den anderen Recht zu machen, wird man krank.

 

Ich kann das in meinem Bekanntenkreis beobachten, der auch aus Leuten besteht, die eine psychische Erkrankung haben. Diejenigen, die in den Familienwirrungen festhängen, bleiben krank, was bedeutet, dass sie hochdosierte Medikamente nehmen müssen und Klinikaufenthalte bis zu einem halben Jahr haben. Auch zu meiner Oma wahre ich eine Art gesunde Distanz. Meine Oma war immer ein geselliger, gemütlicher, fröhlicher Mensch, sie war immer gern in Gesellschaft und hatte schon immer ein Problem mit dem "Alleinsein". Als mein Opa noch lebte und ich klein war und wir alle hier im Haus gewohnt haben, hat sich das so geäußert, dass meine Oma jedes Wochenende unten an der Treppe stand, wenn meine Eltern etwas mit mir unternehmen wollten und gefragt hat, ob sie auch mitfahren könne. Meine Eltern haben sie oft mitgenommen, war auch weiter kein Problem. Mein Opa hat nicht soviel mit meiner Oma unternommen. Später, als mein Opa starb und ich mit 16 wieder hier eingezogen bin, hat sich meine Oma sehr auf mich fokussiert, sie hat praktisch mein Leben gelebt.

Sie war auch ständig in meinem Zimmer und hat dort aufgeräumt, obwohl ich das nicht wollte. Dasselbe hatte sie auch früher bei meiner Mutter gemacht - die das auch nicht wollte, denn irgendwann will man sein eigenes Leben führen. Maja, meine Mutter ist ja dann mit mir weggezogen, aber ich bin eben mit 16 wieder hergezogen. Meine Oma ist ein herzensguter Mensch, das bekomme ich auch immer wieder von meiner Mutter gesagt und früher sagte meine Oma mal zu mir: "Ich bin der einzige Mensch, der es gut mit dir meint." 

Heute finde ich das ganz schön krasse, sowas zu behaupten, es grenzt fast schon an einer Art emotionaler Erpressung, obwohl die Erpressung unausgesprochen bleibt. Über meinen ersten Freund sagte sie: "Der nimmt dich eh nur fürs Bett." Das war meine erste große Liebe. Später als ich in die Psychiatrie am und einige neue Freundschaften entstanden sind, behauptete sie vor meiner Mutter, ich würde mit dem Patienten XY für Geld ins Bett gehen, was übehaupt nicht stimmte. Sexuelle Handlungen waren für sie per se pervers und wenn sie mitkriegte, dass ich in meiner Wohnung mit meinem Freund schlief, belam er Hausverbot.Dasselbe bei meiner Mutter und ihrem ersten Freund. Merkwürdigerweise war sie unserem Freunden gegenüber sehr freundlich und annehmend, aber sobald sie mitbekam, dass was lief, waren sie nur noch "die Perversen".

Kurz nachdem ich als Jugendliche wieder hier einzog, sagte meine Oma zu mir: "In diesem Haus wird sich nicht mit dem Thema Tod und Sex beschäftigt". Heute ist es so, dass ich über beide Themen NBücher geschrieben habe. Kein Scherz. Ich habe das Gefühl, dass sie nicht wollte, dass man eine eigenständige Persönlichkeit wird und mit der Distanz, die ich halte, bin ich das trotzdem geworden. 

Wenn meine Mutter zu Besuch da ist, dann macht sie mit meiner Oma "volles Programm", was bedeutet, spätestens 8:30 Uhr aufstehen, frühstücken, duschen anziehen, und um halb 12 das Haus verlassen, um spazieren zu gehen und danch Essen zu gehen (Restaurantbesuch). Danach ist Mittagsruhe von 15:30 bis 17 Uhr und abends ist Volksmusikabend , musikalische Fernsehunterhaltung, Abendbrot und evtl. Kartenspielen. 

Wenn ich den Tag für meine Oma "gestalte" sieht das etwas anders aus, weil ich nicht stressresistent bin und ganz viel Ruhe für mich brauche, auch wegen meiner Diagnose. Ich war auch noch nie, auch nicht als Kind, an sozialer Interaktion interessiert. Mich hat das immer überfordert bzw. es hat mich einfach nicht interessiert. Und so ist es auch heute noch überwiegend. Also ich mache Frühstück für meine Oma, mache ihr eine Volksmusik CD an, die sie dabei hört, aber ich frühstücke nicht mit ihr gemeinsam. Ich setze mich nicht dazu. Das mache ich aber nicht, weil ich asozial bin, sondern weil die Chemie zwischen uns einfach nicht stimmt. Kann das jemand nachvollziehen?

Im Frühjahr, Sommer und Herbst gehe ich mehrmals die Woche mit ihr spazieren, obwohl sie jedes Mal was zu meckern hat, entweder ist der Weg nicht gut genug oder sie will den Weg gehen, für den man sich eben nicht entschieden hat. Wenn ich Abendessen zubereite und meine Freundin zu uns einlade, dann schießt meine Oma ständig Pfeile gegen sie, denn sie kann meine Freundin nicht leiden. Auch die Freundinnen meiner Mutter hat sie immer schlecht geredet. Ich deute das als eine Art Eifersucht.

Wenn meine Mutter hier ist, dann essen wir alle gemeinsam an einem Tisch und ich sitze meiner Mutter gegenüber. Aber ich habe ein Problem damit, meiner Oma gegenüber zu sitzen und zwar schon lange, nicht erst seit sie Demenz hat. Für Fremde ist das unbegreiflich und ich kann es selber nicht so richtig erklären, aber ich mache das nicht aus Boshaftigkeit. Ich möchte sie auch nicht drücken oder Händchenhalten oder andere körperliche Interaktionen. Das möchte ich aber generell nicht, auch nicht mit Freunden oder Freundinnen. Schon als Kind wollte ich nicht geknuddelt werden, sagte meine Mutter.

Vor einigen Jahren dann schenkte mir meine Mutter zu Weihnachten das Buch "gewaltfreie Kommunikation", was ich nie las, da ich nicht glaube, dass man durch ein Buch soetwas ändern kann. Als ich gegenüber meiner Mutter eimal äußerte, dass ich biele Gemeinsamkeiten mit Autisten habe, meinte sie: "Autisten sind aber nicht aggressiv." Von einem Freund erfuhr ich später, dass Autisten sehr wohl aggressiv sind, denn er hatte einen in seinem Bekanntenkreis. Ich weiß einfach, dass die Gewalt in meiner Kommunikation nicht aus dem Nirvana gekommen ist, sondern Gewalt in der Kommunikation, in diesem Milieu bin ich groß geworden, in der Zeit bevor ich 16 war. Meine Mutter hält mich für sozial inkompetent, ein Psychologe behauptete das Gegenteil, der meinte, er halte mich für sozial kompetent, da ich Courage zeige.

Nun ja, also meine Mutter sagte mal, während eines Besuchs: "Dann setz dich halt mal für ein paar Minuten zu Deiner Oma an den Tisch." Das hört sich wirklich für Außenstehende so an, als sei ich der Unmensch schlechthin. Meine Oma, die alles für mich getan hat, der ich meine ökonomische Existenz zu verdanken habe, die mir jedes Wunschessen gekocht, mir alle meine Wünsche erfüllt hat, die immer an mich geglaubt, mich immer ermutigt hat - ist es nicht würdig, sich mit ihr an einen Tisch zu setzen. Vielleicht kann man das nur nachvollziehen, wenn man jahrzehntelang mit einem Menschen unter einem Dach wohnt, ähnlich wie bei Ehepaaren, die nach außen immer irgendwie wirken und es aber unter dem Deckel brodelt - aber nur das Ehepaar die Gründe kennt.

Ich kann mir das nur so erklären. Die Symbiose war zu stark. Da meine Oma schlecht mit sich allein sein konnte und ich eben gerade da war, hat sie mich als Substitut genommen, um den Zustand des "mit-sich-allein-seins" zu überbrücken. Wenn man es symbolisch sieht, hat meine Oma an die Stelle ihrer Unfähigkeit mit sich allein zu sein, mich positioniert. Ich bin also - im übertragenen Sinne - das "Nicht-mit-sich-allein-sein-können" meiner Oma. Das führte dann vor mehreren Jahren soweit, dass ich Wahnvorstellungen entwickelte und eine schizophrene Psychose bekam und davon überzeugt war, dass meine Oma und ihr damaliger Lebensgefährte mich umbringen wollen. Das wurde so extrem, dass ich zwangseingewiesen wurde, weil ich solche Ängste entwickelte, dass ich Suizidgedanken bekam.

Nochmal was anderes: Mein Stiefvater sagte , als ich Jugendliche war, immer wieder zu mir: "Wenn du so weitermachst, wirst du ein Leben führen, wie dieser Waldemar." Waldemar war ein Bruder meiner Oma, der geistig zurückgeblieben war und bis zum Tod seiner Mutter mit dieser auf engstem Raum zusammenlebte. Als seine Mutter starb, kam er selbst in ein Altenheim, obwohl er erst 50 war, weil er niemanden hatte, der sich um ihn kümmerte und geistig nicht in der Lage war, sich selbst zu versorgen. Auch seine Mutter "jagte" alle Frauen vom Hof, die sich in seiner Jugend für ihn interessierten und isolierte ihn damit zusätzlich. Mein Stiefvater sagte das deshalb zu mir, weil ich als Kind die Tendenz hatte, mich abzukapseln und keine Kontakte zu anderen Kindern zu pflegen. Ich wollte das so, aber es war falsch, weil Kontakte ja so wichtig sind. Heute sind meine Eltern froh, wenn sie niemanden hören und sehen - soviel zur Wichtigkeit von Kontakten.

Nun ja, vermutlich merkt man an diesem Beitrag, dass etwas mit mir nicht stimmt und alles vollkommen am Thema vorbei ist, aber ich finde die Familiendynamiken werden fast nie aufgegriffen, weil sich jeder dafür schämt sowas Persönliches preiszugeben.

 

Schönen Abend noch

 

 

1 Antwort
Beiträge: 21
(@validation)
Beigetreten: Vor 3 Jahren

Hallo Ann-Lene,

danke für Ihre sehr persönlichen Ausführungen.

Sie gehen mit den Problemen offensiv um, und das ist schon richtig und sollte Sie ermuntern diesen Weg weiter zu gehen. Auch im Hinblick auf alte und neue Kontakte in Ihrem Umfeld. Wir sind wie wir sind...

So wie Sie Ihre Oma begleiten, ist es die Möglichkeit für Sie und Ihre Oma was Sie leisten können.

Es ist gut, dass Sie das Angebot annimmt und in die Tagespflegegeht, das ist schon mal sehr gut.

Da Sie ja bereits Pflegegrad hat, können Sie vielleicht ein Alltagsbegleiter bzw. eine Haushaltshilfe organisieren, die Sie unterstützt.

Denken Sie daran, und das tun Sie bereits, dass auch Sie sich als Angehörige und Begleiter eines dementiell veränderten Menschen schützen und auch das Recht haben Ihre Grenzen zu stecken.

Die Verhaltensweisen der Oma, Essen / Körperhygiene, usw. ist der Erkrankung geschuldet. Denken Sie daran, dass sie keine Kontrolle mehr hat über ihr Tun. Unterstützen Sie sie weiter, in Ihren Möglichkeiten und bleiben Sie weiter offen in Ihrer Kommunikation zu anderen Menschen.

Hier finden Sie vielleicht noch Anregungen und Tips bzw. Broschüren die weiterhelfen:

https://www.deutsche-alzheimer.de/publikationen/broschueren  

und ein Anhang zum Thema Inkontinenz.

 

Alles Gute und ein friedvolles Weihnachtsfest.

Monika Bechtel, Vorstandsmitglied

Antwort
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