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Eltern unterstützen - aber wie?

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Beiträge: 1
 Rosa
Themenstarter
(@rosa)
Beigetreten: Vor 2 Jahren

Hallo in die Runde,

ich bin sehr ratlos, was die Unterstützung meiner Mutter angeht. Mein Vater hat Demenz, beide sind erst Anfang 60 und haben die Krankheit lange geheimgehalten. So langsam geht es aber nicht mehr überall. Den engsten Verwandten und Freunden haben sie sich anvertraut. Es gibt Personen, die helfen wollen. Nun ist es aber leider sehr schwierig, diese „Maschinerie“ an Kursen und Unterstützungsangeboten anzuwerfen. Meine Mutter war bereits bei einem Kurs für Angehörige Demenzkranker angemeldet, konnte dann jedoch nicht hingehen. Eine Freundin hat ihr sogar angeboten, sie zu begleiten. Leider ist es sehr schwer für sie, sich Unterstützung zu holen. Sie weiß nicht, wo sie anfangen soll. Wenn sie dann ein Angebot hat, wird es ihr zu viel und sie sucht sich Ausflüchte. Jedes Mal, wenn ich die Sprache darauf bringe, fühlt sie sich bedrängt und unter Druck gesetzt. Ich weiß nicht, wie ich sie unterstützen soll, da ich sehr weit weg wohne und familiär selbst sehr eingebunden bin.

Mein Vater hat Pflegestufe 1, aber meine Mutter schafft es nicht einmal, eine Putzkraft zu engagieren, ich denke sie schämt sich.

Wie kann ich meine Mutter unterstützen? Ich habe oft das Gefühl, dass die Bedürfnisse meines Vaters kaum gesehen werden, und das belastet mich sehr. 

Es kommt immer wieder zu schwierigen Situationen, da meine Mutter dazu neigt, meinen Vater mit Aufgaben und Erwartungen zu überfordern. Das ist für mich sehr schwer zu ertragen und ich melde ihr das oft zurück, dass mein Vater dies und das ja nicht mit Absicht macht und er ja schließlich eine Krankheit hat. Für sie ist die Situation heillos überfordernd. Leider fühlt sie sich durch meine Rückmeldungen über die Maßen kritisiert und ist dann beleidigt.

Ermunterungen, sie müsse auch etwas für sich tun, verpuffen, da sie auch vor der Erkrankung meines Vaters nicht sehr aktiv war und selbst viele gesundheitliche Probleme hat.

Ich denke, es würde ihr gut tun, zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen und meinen Vater stundenweise durch jemand betreuen zu lassen. So wirklich alleine zu Hause lassen sollte man ihn nicht. Aber wie kann ich das anleiern?

Ratlos grüßt in die Runde
Rosa

1 Antwort
Beiträge: 52
Admin
(@admin)
Beigetreten: Vor 4 Jahren

Hallo Rosa,

Ihr Beitrag berührt mich sehr, denn sehr ähnlich habe ich die Situation bei meinen Eltern erlebt und höre es während unserer Seminare für Angehörige von Menschen mit Demenz (MmD) auch immer wieder von anderen Betroffenen. Eine Demenzerkrankung hat tiefgreifende Auswirkungen nicht nur auf das Leben des Erkrankten, sondern auch auf die Paarbeziehung und die ganze Familie. Sehr häufig reden Menschen mit Demenz nicht über ihre Erkrankung, sie bemerken ihre Defizite in der frühen Phase sehr bewusst und versuchen, diese aus Angst vor Stigmatisierung zu überspielen und bauen eine Fassade auf. Die (Ehe-)Partner bemerken das veränderte Verhalten, machen sich Sorgen und versuchen zu aktivieren und motivieren. Häufig scheitern diese Versuche an dem Rückzugsverhalten der Erkrankten. Gemeinsame offene Gespräche über diese Situation sind oft nicht mehr möglich. Die Angehörigen fühlen sich damit schnell überfordert, denn die Demenz verändert die Rollenverteilung in der Beziehung: man konnte sich immer aufeinander verlassen, hat Dinge gemeinsam besprochen, hatte seine liebgewonnenen Gewohnheiten – das alles hat Halt und Sicherheit gegeben. Jetzt muss Ihre Mutter zunehmend die Dinge allein regeln und spürt Überforderung. Gleichzeitig, und das ist ein Teufelskreis, lehnen die Betroffenen oft jegliche Hilfe ab. Man hat bisher immer alles allein geschafft und will sich auch jetzt keine Schwäche anmerken lassen.

Sie schreiben richtig, dass ein Wissensaufbau z.B. durch ein Seminar für Angehörige von MmD sehr hilfreich wäre. In diesen Kursen werden u.a. wichtige Themen wie Kommunikation mit MmD, gemeinsame Aktivitäten und Entlastung angesprochen. So kann es gelingen, denn Alltag stressfreier zu gestalten, seinen erkrankten Angehörigen besser zu verstehen und auch wieder gemeinsame Aktivitäten zu planen, ohne ihn zu überfordern. Auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe wäre eine gute Unterstützung, denn hier könnte ihre Mutter offen über ihre Gefühle und Sorgen sprechen. Zu erleben, dass es Gleichbetroffenen ähnlich ergeht, hilft sehr mit den eigenen Problemen besser zurecht zu kommen. Eine stundenweise Betreuung wäre sehr gut, denn MmD suchen und brauchen zunehmend Sicherheit und Orientierung. Ist immer nur ihr vertrauter Partner da, dann kommt es schnell zu einer starken Bindung und die Gewöhnung an Fremde wird immer schwieriger. Deswegen liegen Sie richtig mit ihrem Vorschlag, möglichst früh eine Betreuung zu finden.

Aber wie kann es gelingen, Ihre Mutter dazu zu bewegen, Hilfe anzunehmen? Obwohl Ihre Vorschläge sehr gut sind, lehnt Ihre Mutter diese ab und reagiert gereizt. Das kann damit zu tun haben, dass Eltern immer in ihrer Elternrolle bleiben. Und letztendlich ist es ja auch richtig so, dass Ihre Eltern selbstbestimmt leben und die Dinge in ihrem eigenen Tempo angehen.

Damit nicht zu viel auf Ihre Mutter einstürmt, könnte als nächster Schritt eine Beratung bei einem Pflegestützpunkt und/oder bei einer Demenzsprechstunde einer Alzheimer Gesellschaft gut sein. Die geschulten Mitarbeiter können Ihrer Mutter bestimmt Mut machen und wertvolle Tipps geben. Oft erreichen Außenstehende in puncto „Hilfe annehmen“ die Betroffenen besser als Familienangehörige. Vielleicht kann die Freundin Ihrer Mutter hier als „Türöffner“ fungieren und den Gesprächstermin zusammen mit ihrer Mutter wahrnehmen? Bei dieser Gelegenheit könnte auch überprüft werden, ob der PG 1 bei Ihrem Vater nicht erhöht werden kann, damit mehr Leistungen der Pflegekasse z.B. für eine Tagespflege zur Verfügung stehen.

Pflegestützpunkte beraten kostenfrei und unabhängig, sie finden den nächsten Pflegestützpunkt in der Nähe Ihrer Mutter über diesen Link:

https://www.pflegestuetzpunkte-deutschlandweit.de/

Bundesweit gibt es Alzheimer Gesellschaften, diese bieten Beratungen und Selbsthilfeangebote. Unabhängig von Ihrem Wohnort kann Ihre Mutter auch gerne die kostenfreie Demenzsprechstunde der Alzheimer Gesellschaft Rheinland-Pfalz in Anspruch nehmen. Diese findet auch telefonisch oder als Video-Chat statt:

https://www.alzheimer-gesellschaft-rhpf.de/demenzsprechstunde/

Diese beiden Beratungsangebote sind nicht zeitaufwändig und überschaubar, könnten aber für Ihre Mutter ein wichtiger erster Schritt sein, um Hilfe zuzulassen oder zumindest offener für weitere Selbsthilfeangebote zu werden.

Im Herbst bieten wir z.B. ein kostenfreies online-Seminar für Angehörige von MmD an, die Thematik könnte für Ihre Mutter sehr gut passen und es sind nur 3 Abende:

Live-Online-Seminar „Den Alltag mit Menschen mit Demenz (MmD) mit Hilfe der Marte Meo Methode konfliktfreier gestalten“ für Angehörige von Menschen mit einer Demenz

https://www.alzheimer-gesellschaft-rhpf.de/schulungen/

Der Kurs ist kostenfrei und ihre Mutter könnte auch mit ihrer Freundin teilnehmen, vorausgesetzt die Technik ist vorhanden.

Sie begleiten Ihre Eltern wie ich finde sehr gut aus der Ferne, haben Sie bitte weiterhin Geduld mit Ihrer Mutter und „schubsen“ liebevoll in Richtung Beratung und Selbsthilfe 😉.

Herzliche Grüße

Claudia Krack
Vorstandsmitglied der Alzheimer Gesellschaft Rheinland-Pfalz e.V.

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