Hallo Rosa,
Ihr Beitrag berührt mich sehr, denn sehr ähnlich habe ich die Situation bei meinen Eltern erlebt und höre es während unserer Seminare für Angehörige von Menschen mit Demenz (MmD) auch immer wieder von anderen Betroffenen. Eine Demenzerkrankung hat tiefgreifende Auswirkungen nicht nur auf das Leben des Erkrankten, sondern auch auf die Paarbeziehung und die ganze Familie. Sehr häufig reden Menschen mit Demenz nicht über ihre Erkrankung, sie bemerken ihre Defizite in der frühen Phase sehr bewusst und versuchen, diese aus Angst vor Stigmatisierung zu überspielen und bauen eine Fassade auf. Die (Ehe-)Partner bemerken das veränderte Verhalten, machen sich Sorgen und versuchen zu aktivieren und motivieren. Häufig scheitern diese Versuche an dem Rückzugsverhalten der Erkrankten. Gemeinsame offene Gespräche über diese Situation sind oft nicht mehr möglich. Die Angehörigen fühlen sich damit schnell überfordert, denn die Demenz verändert die Rollenverteilung in der Beziehung: man konnte sich immer aufeinander verlassen, hat Dinge gemeinsam besprochen, hatte seine liebgewonnenen Gewohnheiten – das alles hat Halt und Sicherheit gegeben. Jetzt muss Ihre Mutter zunehmend die Dinge allein regeln und spürt Überforderung. Gleichzeitig, und das ist ein Teufelskreis, lehnen die Betroffenen oft jegliche Hilfe ab. Man hat bisher immer alles allein geschafft und will sich auch jetzt keine Schwäche anmerken lassen.
Sie schreiben richtig, dass ein Wissensaufbau z.B. durch ein Seminar für Angehörige von MmD sehr hilfreich wäre. In diesen Kursen werden u.a. wichtige Themen wie Kommunikation mit MmD, gemeinsame Aktivitäten und Entlastung angesprochen. So kann es gelingen, denn Alltag stressfreier zu gestalten, seinen erkrankten Angehörigen besser zu verstehen und auch wieder gemeinsame Aktivitäten zu planen, ohne ihn zu überfordern. Auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe wäre eine gute Unterstützung, denn hier könnte ihre Mutter offen über ihre Gefühle und Sorgen sprechen. Zu erleben, dass es Gleichbetroffenen ähnlich ergeht, hilft sehr mit den eigenen Problemen besser zurecht zu kommen. Eine stundenweise Betreuung wäre sehr gut, denn MmD suchen und brauchen zunehmend Sicherheit und Orientierung. Ist immer nur ihr vertrauter Partner da, dann kommt es schnell zu einer starken Bindung und die Gewöhnung an Fremde wird immer schwieriger. Deswegen liegen Sie richtig mit ihrem Vorschlag, möglichst früh eine Betreuung zu finden.
Aber wie kann es gelingen, Ihre Mutter dazu zu bewegen, Hilfe anzunehmen? Obwohl Ihre Vorschläge sehr gut sind, lehnt Ihre Mutter diese ab und reagiert gereizt. Das kann damit zu tun haben, dass Eltern immer in ihrer Elternrolle bleiben. Und letztendlich ist es ja auch richtig so, dass Ihre Eltern selbstbestimmt leben und die Dinge in ihrem eigenen Tempo angehen.
Damit nicht zu viel auf Ihre Mutter einstürmt, könnte als nächster Schritt eine Beratung bei einem Pflegestützpunkt und/oder bei einer Demenzsprechstunde einer Alzheimer Gesellschaft gut sein. Die geschulten Mitarbeiter können Ihrer Mutter bestimmt Mut machen und wertvolle Tipps geben. Oft erreichen Außenstehende in puncto „Hilfe annehmen“ die Betroffenen besser als Familienangehörige. Vielleicht kann die Freundin Ihrer Mutter hier als „Türöffner“ fungieren und den Gesprächstermin zusammen mit ihrer Mutter wahrnehmen? Bei dieser Gelegenheit könnte auch überprüft werden, ob der PG 1 bei Ihrem Vater nicht erhöht werden kann, damit mehr Leistungen der Pflegekasse z.B. für eine Tagespflege zur Verfügung stehen.
Pflegestützpunkte beraten kostenfrei und unabhängig, sie finden den nächsten Pflegestützpunkt in der Nähe Ihrer Mutter über diesen Link:
https://www.pflegestuetzpunkte-deutschlandweit.de/
Bundesweit gibt es Alzheimer Gesellschaften, diese bieten Beratungen und Selbsthilfeangebote. Unabhängig von Ihrem Wohnort kann Ihre Mutter auch gerne die kostenfreie Demenzsprechstunde der Alzheimer Gesellschaft Rheinland-Pfalz in Anspruch nehmen. Diese findet auch telefonisch oder als Video-Chat statt:
https://www.alzheimer-gesellschaft-rhpf.de/demenzsprechstunde/
Diese beiden Beratungsangebote sind nicht zeitaufwändig und überschaubar, könnten aber für Ihre Mutter ein wichtiger erster Schritt sein, um Hilfe zuzulassen oder zumindest offener für weitere Selbsthilfeangebote zu werden.
Im Herbst bieten wir z.B. ein kostenfreies online-Seminar für Angehörige von MmD an, die Thematik könnte für Ihre Mutter sehr gut passen und es sind nur 3 Abende:
Live-Online-Seminar „Den Alltag mit Menschen mit Demenz (MmD) mit Hilfe der Marte Meo Methode konfliktfreier gestalten“ für Angehörige von Menschen mit einer Demenz
https://www.alzheimer-gesellschaft-rhpf.de/schulungen/
Der Kurs ist kostenfrei und ihre Mutter könnte auch mit ihrer Freundin teilnehmen, vorausgesetzt die Technik ist vorhanden.
Sie begleiten Ihre Eltern wie ich finde sehr gut aus der Ferne, haben Sie bitte weiterhin Geduld mit Ihrer Mutter und „schubsen“ liebevoll in Richtung Beratung und Selbsthilfe 😉.
Herzliche Grüße
Claudia Krack
Vorstandsmitglied der Alzheimer Gesellschaft Rheinland-Pfalz e.V.