Unser Vater ist dement und hat Pflegegrad 4. Anfangs war er nur etwas tüddelig und vergesslich, womit man gut leben konnte. Mittlerweile hat sich das aber so verschlimmert, dass er die Realität nicht mehr wahrnimmt und auf diese teilweise aggressiv reagiert. Als Unterstützung kommt ein Pflegedienst ins Haus, der ihn duscht, und viermal pro Woche geht er in die Tagespflege, damit wir wenigstens stundenweise vor ihm Ruhe haben. Dies sind auch die einzigen Stunden, in denen wir selbst etwas zur Ruhe kommen und wenigstens etwas verpassten Schlaf nachholen können, denn er gibt auch nachts keine Ruhe, muss jede Stunde auf die Toilette begleitet werden, geistert im Haus umher.
Bei der Tagespflege haben sie neulich einen Kreis gebildet, und jeder sollte aus seinem Leben erzählen um das Erinnerungsvermögen anzukurbeln. In seinem kranken Geist wurde daraus, dass er von der Polizei vernommen wurde. Nun stellt er seit Tagen das Haus auf den Kopf auf der Suche nach dem Vernehmungsprotokoll. Komm mir jetzt bitte keiner mit so einem Schwachsinn "Wenn er die Realität nicht mehr wahrnimmt, musst du halt in seine eintauchen"! Wer so schlau und heeilig daherredet, hat wahrscheinlich noch nie selber unter einem dementen Angehörigen zu leiden gehabt. Für solche Mätzchen haben wir einfach keine Kraft mehr, er hat sie uns bereits alle ausgesagt wie ein Vampir.
Es gibt hier eine Demenz- und Seniorenbeauftragte des Landkreises, die nach Schilderung der Lage kurz, knapp und ziemlich rüde meint: "Wenn er nicht mehr handhabbar ist, muss er halt ins Heim". Wow, was für eine großartige Hilfe! Ist das so, muss er weg, wenn wir nicht mehr können und ihn nicht mehr dazu überredet kriegen, seine Medikamente einzunehmen? Gibt es einen Punkt, an dem jegliche Selbstaufopferung und Aufgabe
eines eigenen Lebens keinen Sinn mehr ergibt? Es wird immer nur über die armen Dementen geredet, wenn die Pflegenden an Körper und Geist zerbrechen, scheint das niemanden zu interessieren. Im Gegenteil hat man dann noch nicht genug getan für den armen Dementen.