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Dementer Vater überfordert uns

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Beiträge: 1
Themenstarter
(@hdeppe)
Beigetreten: Vor 2 Jahren

Unser Vater ist dement und hat Pflegegrad 4. Anfangs war er nur etwas tüddelig und vergesslich, womit man gut leben konnte. Mittlerweile hat sich das aber so verschlimmert, dass er die Realität nicht mehr wahrnimmt und auf diese teilweise aggressiv reagiert. Als Unterstützung kommt ein Pflegedienst ins Haus, der ihn duscht, und viermal pro Woche geht er in die Tagespflege, damit wir wenigstens stundenweise vor ihm Ruhe haben. Dies sind auch die einzigen Stunden, in denen wir selbst etwas zur Ruhe kommen und wenigstens etwas verpassten Schlaf nachholen können, denn er gibt auch nachts keine Ruhe, muss jede Stunde auf die Toilette begleitet werden, geistert im Haus umher.

Bei der Tagespflege haben sie neulich einen Kreis gebildet, und jeder sollte aus seinem Leben erzählen um das Erinnerungsvermögen anzukurbeln. In seinem kranken Geist wurde daraus, dass er von der Polizei vernommen wurde. Nun stellt er seit Tagen das Haus auf den Kopf auf der Suche nach dem Vernehmungsprotokoll. Komm mir jetzt bitte keiner mit so einem Schwachsinn "Wenn er die Realität nicht mehr wahrnimmt, musst du halt in seine eintauchen"! Wer so schlau und heeilig daherredet, hat wahrscheinlich noch nie selber unter einem dementen Angehörigen zu leiden gehabt. Für solche Mätzchen haben wir einfach keine Kraft mehr, er hat sie uns bereits alle ausgesagt wie ein Vampir.

Es gibt hier eine Demenz- und Seniorenbeauftragte des Landkreises, die nach Schilderung der Lage kurz, knapp und ziemlich rüde meint: "Wenn er nicht mehr handhabbar ist, muss er halt ins Heim". Wow, was für eine großartige Hilfe! Ist das so, muss er weg, wenn wir nicht mehr können und ihn nicht mehr dazu überredet kriegen, seine Medikamente einzunehmen?  Gibt es einen Punkt, an dem jegliche Selbstaufopferung und Aufgabe
eines eigenen Lebens keinen Sinn mehr ergibt? Es wird immer nur über die armen Dementen geredet, wenn die Pflegenden an Körper und Geist zerbrechen, scheint das niemanden zu interessieren.  Im Gegenteil hat man dann noch nicht genug getan für den armen Dementen.

1 Antwort
Beiträge: 52
Admin
(@admin)
Beigetreten: Vor 4 Jahren

Hallo und herzlich willkommen im Forum!

Einen Menschen mit einer Demenzerkrankung zu versorgen kann zu einer extremen Herausforderung werden, denn das Leben mit Menschen mit Demenz (MmD) ist durch eine hohe körperliche und seelische Beanspruchung geprägt. Das wird noch dadurch verschärft, dass es bei den MmD im Krankheitsverlauf häufig zu einer Störung des Tag- und Nachtrhythmus kommt. Wenn die Nacht zum Tag wird, kommen pflegende Angehörige ganz schnell an ihre Grenzen, die Gefahr einer eigenen Erkrankung (häufig Depression, Burnout) durch die Belastung der Pflege ist jetzt groß. An diesem Punkt scheinen Sie auch angekommen zu sein, und Sie sind damit nicht allein: während unserer Seminare für Angehörige von MmD und auch in der Demenzsprechstunde berichten ganz viele Angehörige von ähnlichen Situationen. Wir vermitteln deshalb, dass es bei der Begleitung eines Menschen mit Demenz natürlich um das Wohl und die Bedürfnisse des MmD geht, aber genauso wichtig ist auch die Entlastung und Selbstpflege der Angehörigen.

Was kann man in Ihrem Fall tun? Sie machen ja schon so vieles richtig, Sie holen sich Hilfe durch den Pflegedienst und nutzen die Tagespflege. Aber ohne Schlaf hilft das alles nicht viel, ist nicht mehr wie der „Tropfen auf dem heißen Stein“. Als erstes würde ich mit dem Hausarzt von Ihrem Vater reden. Die häufigen nächtlichen Toilettengänge könnten durch Entwässerungstabletten oder andere Medikamente verursacht sein, auch eine Blasenentzündung oder andere organische Ursachen (Prostata?) sollten abgeklärt werden.

Weiterhin können Sie mit dem Arzt auch über Schlafmittel sprechen, allerdings wirken diese oft bei MmD nicht so gut, sie können sogar das Gegenteil (Unruhe) bewirken und erhöhen die Sturzgefahr.

Wenn Sie hierdurch keine Besserung des Schafverhaltens erzielen, wäre es zu überlegen, ob andere Familienmitglieder auch einmal den Nachtdienst übernehmen könnten um Ihnen wenigstens 1-2 Nächte in der Woche einen guten und entspannten Schlaf zu ermöglichen.  Auch eine 24h-Pflege durch eine Pflegekraft im Haus könnte eine Option sein, dafür müsste allerdings ein eigenes Zimmer für die Pflegekraft zur Verfügung stehen.

Falls das alles nicht weiterhilft, bleibt am Ende die zwar schmerzliche aber vielleicht unumgängliche Überlegung, ob Ihr Vater in eine andere Wohnform wechselt (Demenz-WG oder Pflegeheim). Viele Angehörige stehen vor dieser zunächst abwegig erscheinenden Idee, den eigenen Ehemann oder Vater in ein Pflegeheim zu geben. Aber wenn alles gut vorbereitet wird, dann kann es für alle ein Gewinn sein: ihr Vater ist gut betreut und Sie kommen entspannt zu Besuch, haben wieder Zeit für ein Spiel, für positive gemeinsame Aktivitäten, können noch schöne Momente mit Ihrem Vater erleben. Hören Sie doch einmal in diesen Podcast hinein:

https://demenz-podcast.de/

Folge 11 Wechsel ins Pflegeheim: Entscheidung und Auswahl

Folge 12 Wechsel ins Pflegeheim: Organisatorisches

Diese Podcast-Serie ist absolut hörenswert.

Sehr gerne können Sie auch die kostenfreie Demenzsprechstunde der Alzheimer Gesellschaft Rheinland-Pfalz nutzen, einfach mal die Sorgen von der Seele reden tut gut und hilft, so manche Entscheidung leichter zu treffen.

https://www.alzheimer-gesellschaft-rhpf.de/demenzsprechstunde/

Herzliche Grüße

Claudia Krack

Vorstandsmitglied der Alzheimer Gesellschaft Rheinland-Pfalz e.V.

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